Dienstag, 10. Dezember 2019

Atlantiküberquerung - Von Mindelo, Sao Vicente nach Barbados


Den größten Teil unserer Vorbereitungen haben wir hierfür verwendet. Eine sehr lange Zeit auf dem Atlantik, die man nicht vorher absehen kann …nur schätzen.
Deshalb waren auch die letzten beiden Tage nicht mehr so entspannt wie die Vorhergehenden. Immer wieder hatte man das Gefühl, noch das eine oder andere zu kaufen…zu waschen….gut zu verstauen usw. Die Zeit die wir bis hierher unterwegs waren, war sehr hilfreich. Wir haben noch die Möglichkeit bekommen uns durch die Erfahrungen während der kürzeren Überfahrten und in Gesprächen mit Seglern, Freunden und unseren Gästen dazu zu lernen. Dies wiederum gab uns ein gutes Gefühl das Abenteuer, das nun vor uns lag gut meistern zu können.
Die meiste Zeit allerdings verbrachten wir an diesen beiden letzten Tagen im WiFi-Netz von irgendwelchen Bars und Cafe´s um uns von unseren Familien und Freunden zu verabschieden. Vielen Dank für eure vielen guten Wünsche“!!!
Dann hieß es endlich Leinen los! Am Samstag, den 23. November um 11Uhr verließen wir den Hafen. Das Wetter war vorher ausreichend studiert, immer wieder überprüft, mit Screenshots festgehalten und nun live zu spüren.
Der erste Tag hatte noch etwas höhere Wellen, die uns schön durchrollten, aber dadurch dass der Hafen und der Ankerplatz in Mindelo sehr bewegt und zum Teil ruppig waren, fiel dies nicht so stark ins Gewicht. Vorsichtshalber haben wir aber trotzdem beide eine Tablette gegen Seekrankheit genommen. So schaukelten wir in den Tag und die erste Nacht hinein. Das Essen war für zwei Tage vorgekocht, sodass wir uns erstmal nur auf den Abschiedsblick von Sao Vicente und Santo Antao und den Blick nach vorn auf den endlos scheinenden Atlantik konzentrieren konnten. Viele Gedanken schießen durch den Kopf und man lässt sich erstmal treiben.

Wichtig für diese Zeit ist die Tag- und Nachteinteilung, denn es muss ja schließlich immer jemand aufpassen, was um einen herum passiert. In den ersten Stunden nach der Abfahrt waren noch ein paar Schiffe in Sichtweite, aber dies änderte sich bis zum Beginn des zweiten Tages und wir fuhren so als hätten wir den ganzen Atlantik für uns allein.
Wir entschieden uns, den Tag zum größten Teil gemeinsam zu verbringen (abgesehen von kleinen Nickerchen….oder nennen wir es Pausen zum Nachdenken😀) und die Nachtwache auf 6 Stunden festzulegen. Ich begann um 20 Uhr und Thomas konnte bis 2 Uhr schlafen. Gegen 9 Uhr konnten wir dann gemeinsam den neuen Tag mit einem Frühstück im Cockpit beginnen.
Und schon sind wir bei einem ganz wichtigen Thema angelangt. Das Thema Essen hat schon seit wir unterwegs sind immer einen großen  Stellenwert eingenommen. Also kann man sich vorstellen, dass es diesmal wichtig war, einen guten Plan für die Lebensmittel zu erstellen. Im Grunde war dieses Thema immer im Hinterkopf wenn wir einkaufen gingen. So hatten wir die Gelegenheit in jedem Hafen schon mal haltbare Köstlichkeiten, die variabel einsetzbar sind einzulagern. Der Endspurt war dann auf La Gomera und in Mindelo. Wer weiß wie gerne Thomas Einkaufen mag, hat jetzt bestimmt schöne Bilder im Kopf 😊
Wir haben  alle Schränke, Sitzbänke, Stauräume, unter den Betten und nicht zuletzt die Betten selbst mit so vielen Lebensmitteln und Verbrauchsgegenständen( Haushaltsrollen, Toilettenpapier etc. 😂) zugepackt, dass es unmöglich war, auf dieser Überfahrt zu verhungern( aber man kann ja nieee wissen).



Wir haben alles genau aufgelistet, um die Möglichkeit des Wiederfindens zu erhöhen. So besteht auch nicht so schnell die Gefahr, dass es jeden Tag das Gleiche gibt wie z.B. rote Soße!!!!!
Skorbutprophylaxe
Noch viel wichtiger aber ist an Bord der Umgang mit der größten Kostbarkeit „ dem Wasser“. Dies gilt es besonders gut einzuteilen. Die Wasserhähne werden nur auf den geringsten Strahl eingestellt und man muss schon genau überlegen, was man in welcher Reihenfolge macht, um jeden Liter sinnvoll zu nutzen. Wir haben für diese Zeit 345Liter Brauchwasser in unserem Tank(aus dem Schlauch des Hafens) und 110Liter Trinkwasser in Flaschen mitgenommen. Es ist wirklich erstaunlich mit wie wenig Wasser man auskommen kann, wenn man alles etwas bewusster macht. Das Duschen findet deshalb auch im Freien statt….mit Salzwasser aus dem Eimer oder an besonderen Tagen aus dem uns noch verbliebenen Duschsack, der immer schön draußen in der Sonne liegt. Wir hatten eigentlich zwei davon, aber einer ist uns leider von Bord gehüppelt. 😒 Ich freu mich soooo auf meine Badewanne!!!

Jeden Abend. Sonnenuntergang. Unsere Nachtwachen beginnen.
Die Fahrt im Wellengang ist immer sehr stark begleitet von Geräuschen die so ein Schiff je nach Wind, Welle oder Besegelung macht. Irgendetwas schlägt, klappert oder rollt immer irgendwo gegen und man will natürlich herausfinden woher es kommt, um auszuschließen dass etwas nicht so ist wie es sein sollte. So ein Geräusch hat uns die ersten Tage auch beschäftigt. Gut das Thomas sich lange mit der Fata Morgana auseinander gesetzt hat. Er erkennt die meisten Geräusche sofort oder lässt nicht eher locker bis er es herausgefunden hat. So auch diesmal. Immer mit irgendwelchem Werkzeug und wenn nötig einer Taschenlampe bewaffnet suchte er alles ab und probierte aus. Wenn er eine Vermutung hat, hat er auch meistens eine Lösungsmöglichkeit parat aber nicht immer ist das Geräusch dann auch sofort weg. Es liegt auf jeden Fall klar auf er Hand, wenn man sich in technischen und handwerklichen Dingen nicht besonders gut auskennt, braucht man eine solche Reise erst gar nicht starten. Für mich ist das eine große Beruhigung, dass Thomas so viel Erfahrung hat. Also in diesem Fall war es die Püttingdurchführung und nichts, was uns Sorgen machen muss.

Die Natur hat unterwegs viel zu bieten.
min. 30 fliegende Fische landeten an Bord
Man hat uns im Vorfeld oft gefragt, ob wir nicht viel Langeweile bekommen werden wenn wir solange unterwegs sind. Uns ist sie bisher noch nicht begegnet. Irgendetwas ist immer zu tun und die alltäglichen Dinge wie kochen, backen, Tisch decken, spülen etc. erfordern im Wellengang oft mehr als die doppelte Zeit. Was man zuhause mal eben nebenbei erledigt, wird hier teilweise zur Herausforderung, benötigt hohe Aufmerksamkeit und akrobatische Künste. Yoga passiert hier sozusagen nebenbei. Immer alle Muskeln angespannt, im Rhythmus der Wellen mit gewippt und gleichzeitig in Bereitschaft etwas Herumfliegendes aufzufangen. Den Marmorkuchen den ich am 6. Tag gebacken habe, haben wir leider beide verfehlt. Zur falschen Zeit am falschen Ort!!! Er ist noch warm auf dem Fußboden gelandet. So akkurat hätte ich ihn wohl kaum aus der Form bekommen, wie er hier durch den Wellendruck aus ihr herausgeschleudert wurde. Wir haben nach der 3-Sekunden -Regel gehandelt und ihn schnell auf einen Teller gerettet. Da er noch so frisch war, ist er dabei natürlich zerbrochen 😀
In der Nacht um 3 Uhr, als ich vom Naviplatz ins Cockpit ging, flog ein fliegender Fisch auf die Spray Hood. Genau in diesem Moment schaute ich über die Spray Hood. Der zappelnde Fisch flog gleich weiter und landete im Meer. Mein Gesicht war nass und ich hatte eine kalte Gänsehaut, von oben bis unten. Gruselig!

Es dauerte nicht lange, da entstand eine Gleichförmigkeit unserer Tagesabläufe. Die Tage werden bestimmt durch den Wachrhythmus, des Windes, der uns mit fast gleicher Stärke und Richtung, mit immer gleicher Geschwindigkeit durch die Wellen schob. Nichts musste verändert werden. Der Kurs musste selten korrigiert werden. Aus dieser Gleichförmigkeit kann man schlecht ausbrechen hier auf dem Atlantik. Die nächste Kneipe scheint unerreichbar. Auch hatten wir kein Internet um uns mit irgendeinem Kram abzulenken. Wir mussten uns mit uns selbst beschäftigen. Es entsteht auch eine innere Ruhe die ich im Alltag so noch nicht gespürt hatte. Langeweile gab es nicht. Es ist nicht Langeweile stundenlang die Wellen zu beobachten. Es ist eine große Freude und es entsteht kein Verlangen nach weiterem. Manchmal ist es so unwirklich. Ich fühle mich oft gar nicht mitten auf dem Ozean. Die Distanzen und unsere geringe Geschwindigkeit führen dazu, dass wir gar nicht mehr schauen wo wir genau sind. Wir sind halt mitten drin und können alles laufen lassen wie es läuft. Wenn in der Nacht die Yacht von einem Automaten ins Schwarz gesteuert wird und rundherum kein Licht auszumachen ist, liege ich im Cockpit und genieße den Sternenhimmel. Zähle Sternschnuppen und bin fasziniert von diesem Anblick. Alles ist Stimmig. Nach dem siebten Tag habe ich auch nicht mehr überlegt wie ich das Schiff schneller machen kann. Lass es laufen. Es ist gut so wie es ist!
Endloses Blau

Am achten Tag hatten wir Bergfest. Über tausend Seemeilen im Kielwasser und weitere  tausend vorm dem Bug. Wir waren mitten auf dem Ozean. Seit Tagen hatten wir schon kein Schiff mehr gesehen. Es ist ein spannendes Gefühl. Roland hatte uns schon frühzeitig über unser SAT  Telefon darüber informiert, dass die Wellen zunehmen. Ein Sturmtief um Bermuda schickte uns 3,5 m Wellen. Dazu kam unsere Windsee aus Ost. Daraus wurde ein chaotisches Meter mit hohem Geschwabbel. Hoch wurde die Yacht angehoben, (danke für die gute Aussicht!!!), und ab ging es wieder hinunter ins Tal. Da wir wussten, dass man bei diesen Bedingungen nicht so gut kochen kann haben wir für drei Tage vorgekocht, Brot und Kuchen gebacken. Die teilweise wilden Schiffsbewegungen nervten dann eigentlich bis zum Schluss. Immer wenn wir eine Welle hinuntergesurft sind wurden wir recht schnell, unten im Wellental versank bremsend das Heck und das Boot rollte wie verrückt. Schon baute sich wieder eine neue blaue Wand auf. Zwischenzeitlich kam dann noch eine Welle aus dem Nordverband und katschte uns seitlich ans Heck und drehte uns um 30 ° herum. Das waren schon sehr anstrengende Tage. Der Wind war in etwa gleichmäßig zwischen 18 und 24 Knoten. Genauso wie der Sonnenschein und die Temperaturen. Nachts 26 °C, tagsüber an die 30 ° C. Im Schiff konnte man sich nur schwitzend aufhalten. Hochsommer im Dezember.
Über unser SAT- Telefon konnten wir jeden Tag per SMS eine Meldung über unsere Position und unser Befinden senden. Ein gutes Gefühl zu wissen, dass jemand weiß wo wir sind, in diesem endlos scheinenden Blau.
Ich muss mal kurz nachdenken.
Gerade nach diesen teilweise sehr anstrengenden Tagen wünscht man sich eine Insel herbei. 15 Tage sind schon echt lang. Viele fahren von den Kanaren direkt rüber und sind nochmals eine Woche mehr auf dem Atlantik. Wir waren froh, als wir endlich unter 100 Meilen auf dem Navigerät ablesen konnten und wussten, dass wir am nächsten Morgen Land sehen müssten, insofern wir uns nicht verfahren haben.
Land in Sicht. Kurz vorm Sonnenaufgang. Also doch nicht verfahren.

Als wir auf die Leeseite der Insel kamen und uns dem Hafen näherten, konnten wir unseren Augen kaum trauen, da kam uns doch tatsächlich schon unser befreundeter Segler mit dem Schlauchboot entgegen mit dem versprochenen RUMPUNSCH in der Hand. Dazu türkises Wasser, Strand mit Palmen, Passatwolken und ein Fregattvogel am Himmel. Wir sind endlich angekommen: KARIBIK!!!!
Barbados, Port St. Charles


Müde aber glücklich


Insgesamt gesehen hatten wir eine schöne schauklige Überfahrt mit wirklich wenig Stress. Man spürte, dass ihr uns alle die Daumen gedrückt habt. Danke, danke dafür!

Hier wieder ein Filmchen auf YouTube: Eindrücke einer Atlantiküberqerung



Der erste Morgen, ein Blick aus dem Cockpit

Auf dem Ankerplatz. Türkises Wasser, Palmen und Strand: KARIBIK


3 Kommentare:

  1. Herzlichen Glückwunsch, ihr habt es geschafft, all die lange Vorbereitung wurde nun belohnt! Ein toller Bericht, genießt die schöne Inselwelt der Karibik. Und lasst es heute erstmal richtig krachen. Liebe Grüße aus dem stürmisch, verregnetem Basel

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  2. Echt toll auf der anderen Seite vom Atlantic angekommen. Wünsch euch einen weiteren spannenden Genuss in der Karibik. Barbara und ich werden auf euch anstossen und euch alles Gute wünschen.
    LIEBE Grüße aus dem südwestlichen Teil Deutschlands. Michael

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  3. Vielen Dank für eure tollen Texte und Bilder. Bin froh hier festen Boden unter den Füßen zu haben ;-)
    Ich hoffe ihr habt in der Karibik noch viel zu entdecken und zu erleben. Euch eine wunderschöne Zeit.

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