Mittwoch, 28. August 2019

Der Weg nach Porto Santo


Drei Tage haben wir in Lissabon auf das richtige Wetterfenster gewartet. Noch vor Sonnenaufgang fuhren wir auf den Tejo. Es war stock dunkel. Wir mussten früh weit nach Westen fahren um nicht in dem sich am Morgen bildenden Flautenloch hängen zu bleiben. Hinter uns ging die Sonne auf, der Seegang am Cabo Raso nahm zu und wir fanden dann auch das angesagte Windgebiet. Mit 7,5 kn segelten wir weiter Richtung Westen zum Verkehrstrennungsgebiet. In diesem Bereich werden viele Frachtschiffe in „Fahrspuren getrennt“. Diesen mussten wir queren und somit zwischen den Frachtschiffen hindurchschlüpfen. Nach 2 Stunden segelten wir plötzlich in eine Nebelbank. Das war nicht vorhergesagt und ist 10 Seemeilen vor einem Verkehrstrennungsgebiet ziemlich unangenehm. Mit Radar, Kartenplotter und weit aufgerissenen Augen ging es weiter. Wenn man weiß, dass der Nebel nach kurzem wieder aufhört kann man mal damit leben. Diese Ungewissheit und die von Weitem erschallenden Nebelhörner der Frachtschiffe drücken schon sehr aufs Gemüt. Nach drei Stunden, genau da wo wir auf den ersten Frachter stießen, lichtete sich der Nebel.
Hinter uns geht die Sonne auf. Eine Stunde nach Lissabon
Die Sonne setzte sich immer mehr durch. Mit leichten nordwestlichen Winden fuhren wir auf Porto Santo zu. Auf dem Navigationsgerät standen noch 480 Seemeilen. Das bedeutete für unsere derzeitige Geschwindigkeit noch 89 Stunden. Also ganz entspannt zurück lehnen, wir haben noch viel Zeit. Die See war nach den letzten Starkwindtagen mit 2,5 – 3 m noch sehr hoch. Das Schiff rollte ordentlich in den von schräg hinten anlaufenden Wellen. Der Körper gleicht unentwegt diese Bewegungen aus. Alle Muskeln werden immer an – und entspannt. Irgendwann werden allerdings die Sitzhöcker beansprucht. Dann mag man nur noch liegen ;-))
Am Nachmittag wechselten wir die Segel, weil der Wind abnahm und immer mehr nach achtern drehte. Mit dem Blister ging es ein paar Stunden weiter. Wenn der Wind immer mehr abnimmt wird das Schiff durch den Segeldruck nicht mehr so sehr gestützt. Somit nehmen die Rollbewegungen immer mehr zu. Gegen Abend wechselten wir auf die ausgebaumte Genua. So fuhren wir dann auch bis nach Porto  Santo.
Der Mond im Seegang mal etwas länger belichtet
Unterwegs. Rundherum nur Meer.
Die erste Nacht war klar, mit einem hellen Mond und einer großen leuchtenden Milchstraße über uns. Der Wind kam immer aus der gleichen Richtung und die Windfahnensteuerung hielt zuverlässig den Kurs. Genau diese Bedingungen brauchten man für eine ruhige Nachtwache. Da wir zu dritt waren, kamen wir mit einem Drei- Stunden- Wachrhythmus aus. Danach hatten wir jeder 6 Stunden Zeit um uns auszuschlafen.
Sehr spannend ist bei diesem Seegang das Zubereiten des warmen Abendessens. Dann wünscht man sich ein Oktopus zu sein. Man sucht sich einen stabilen Stand, federt mit den Knien immer schön mit und versucht die Speisen zu halten und zu schneiden. Dann alles schnell ab in den Topf und in die Pfanne. Leider kommen die Wellen nicht immer gleich. Jede achte Welle ist anderthalb mal so hoch, bricht sich und tritt einem mit voller Wucht in den Hintern. Das Schiff dreht sich mit Schwung und Reis, Gabel und Messer wollen gerne durchs Schiff fliegen. Der kardanisch aufgehängte Herd schwingt dann bis zum Anschlag durch. Wehe dem Koch, wenn er jetzt die Geduld verliert. Irgendwann sind das Huhn und der Reis fertig. Die nächste Stufe ist das Essen zu servieren und zu sich zu nehmen. Man versucht immer den richtigen Moment zu finden die Speisen aufzufüllen, und den Weg ins Cockpit unbeschadet zu meistern. Hier hält jeder seinen Teller und sein Besteck in der Hand lässt sich auf der Bank nieder und genießt die hart erkämpfte Mahlzeit. Die dritte und letzte Stufe ist das Spülen. Bisher ist allerdings nur ein Teller zu Bruch gegangen.

Nachts wir es immer deutlich kühler. Dick eingepackt saßen wir im Cockpit und hielten den Horizont im Auge. In der ersten Nacht tauchten immer mal wieder Frachter auf. Es ist spannend und interessant diese zu beobachten. Mit scharfem Blick und bewaffnet mit einem Fernglas schaut man wer noch so in tiefer Nacht unterwegs ist. Das Navigationsgerät zeigt einem zusätzlich die Geschwindigkeit und den genauen Kurs an, damit man entscheiden kann was zu tun ist.
Wirklich wunderbar ist das Leuchten im Wasser wenn durch Wasserbewegungen fluoreszierende Mikroorganismen ihre Neonröhren einschalten. Im Heckwasser leuchtet es immer sehr stark. Verträumt sitzen wir dann im Heck und beobachten dieses Phänomen. Spektakulär wird es, wenn uns Delfine begleiten und das Wasser neben uns zum Leuchten bringen. Überall bilden sich leuchtende Bänder im Wasser die durch den Flossenschlag der Delfine entstehen. Das alles macht die Nachtwache kurzweilig.
Die zweite Nacht verlief ähnlich. Der Seegang nahm auf etwas unter 2 m ab und der Wind blieb stabil auf 5 Bft. Nur mit einem Segel fuhren wir immer zwischen 6 und 7 Knoten. Wir kamen also gut voran. In der dritten Nacht war kein einziges Schiff zu sehen. Zudem war es sehr stark bewölkt, weshalb der Sternenhimmel nur zum Teil und der aufgehende Mond gar nicht zu sehen war. Es war sehr dunkel im Cockpit. Besonders belohnt wird natürlich derjenige der bei Sonnenauf – bzw. –untergang Wache hat. Diese Erlebnisse sind mit Worten kaum zu  beschreiben.

Am Tage machten wir immer nach Lust und Laune Wache. Wir hielten uns fast immer gemeinsam im Cockpit auf. Wir drei haben diese Zeit sehr gut überstanden. Zur Vorsicht haben wir alle zu  Beginn der Überfahrt eine Tablette gegen Seekrankheit genommen. Wenn man dann immer gut darauf achtet zu Essen und zu Trinken hat die Übelkeit nicht mehr so eine große Chance.
Am vierten Tag  gegen 10 Uhr hatten wir Porto Santo in Sicht. Es ist schön das Ziel von den ersten Umrissen, die nach und nach immer deutlicher werden, bis zur Ankunft im Hafen zu beobachten. Die Vorfreude und die Spannung einen neuen Ort zu erkunden wächst und natürlich ist man auch stolz darauf wieder eine Etappe geschafft zu haben.

Land in Sicht. Ein schönes Gefühl nach dreieinhalb Tagen





Porto Santo. Fast wie in der Karibik.


Während ich hier so schreibe sind wir gerade auf dem Weg nach Madeira. Diesmal sind wir nicht nur von Delfinen begleitet worden, sondern vor ein paar Minuten ging ein großer Wunsch von Thomas in Erfüllung: eine Fontäne spritzte und ein Finnwal kam zum Vorschein.





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